Round Table: Faires Einkommen - Faire Pension? Wie gendergerecht ist unser Pensionssystem?

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15. Dezember 2015, eine Kooperationsveranstaltung des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Am 15. Dezember fand der Round Table „Faires Einkommen – Faire Pension? Wie gendergerecht ist unser Pensionssystem?“ im Frauenministerium in Wien statt. Der Round Table bildete die Auftaktveranstaltung zum EU-Projekt „Promote Equal Pay to Diminish Pension Gap, Poverty and Social Exclusion: Fair Income – Fair Pension”, das in Österreich vom Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen getragen wird.

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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die gemeinsam mit dem Netzwerk in die Räumlichkeiten des Ministeriums geladen hatte, stimmte auf die Veranstaltung ein: „Es ist höchst an der Zeit, die Stimme zu erheben und die Thematik Frauen und Pensionen auf die Agenda zu setzen“, sagte die Ministerin. Sie wies darauf hin, dass nicht die vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters, sondern der hohe Gender Pension Gap zu diskutieren sei. „Vom Pensionsantrittsalter 65 brauchen wir nicht sprechen, so lange die Hausaufgaben in Sachen Gleichstellung nicht erledigt wurden – und da nehme ich mich als Regierungsmitglied auch selbst in die Pflicht“, so Heinisch-Hosek.

Hannah Steiner präsentierte die Broschüre „Faires Einkommen - Faire Pension. Der Gender Pay Gap und seine Auswirkung auf die Alterssicherung von Frauen und Männern in Österreich“ und gab einen Einblick in das EU-Projekt und die geplanten Aktivitäten im Frühling. „Für viele Frauen, die uns in den Beratungsstellen in ganz Österreich aufsuchen, ist die Sorge um die Pension ein wichtiges Thema“, berichtete die Koordinatorin des Netzwerks. Mit dem Projekt „Fair Income – Fair Pension“ wolle man die Öffentlichkeit für die Problematik sensibilisieren und auf internationaler Ebene Best Practice Beispiele austauschen.

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Auch das Frauenministerium präsentierte eine eben publizierte Broschüre. Sie trägt den Titel „Frauen und Pensionen“ und soll niederschwellig über die Auswirkungen von Teilzeitarbeit, Ausbildungszeiten oder Karenz auf die Pension informieren. „Das Wissen darum, welche Auswirkungen persönliche Entscheidungen auf die Alterspension haben, ist bei vielen Frauen nicht vorhanden. Das Pensionskonto hat erstmals viele Frauen wachgerüttelt“, sagte Sektionschefin Ines Stilling, die die Broschüre vorstellte. Sie wird an Beratungseinrichtungen in ganz Österreich verschickt und kann beim Frauenministerium bestellt werden.
Im Anschluss beleuchteten Expertinnen verschiedene Fragen in Bezug auf Gender(un)gerechtigkeiten im Pensionssystem. Ulli Weish (3. von rechts) moderierte die Runde, die sich aus Expertinnen aus verschiedenen Einrichtungen zusammensetzte.

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Isabella Farkasch, Österreichischer Gewerbeverein 
ClaudiaPrudic,Verein Wendepunkt                                                                                                     Margit Schratzenstaller, WIFO – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung             Monika Weißensteiner, AK - Kammer für Arbeiter und Angestellte                                      Ingrid Mairhuber, FORBA – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt

(ebenfalls am Foto, 3.v.l. : Hannah Steiner, Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen)

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Margit Schratzenstaller analysierte zu Beginn, wie sich das österreichische Steuersystem geschlechterspezifisch auf die Pensionen auswirkt. Als zentrales Problem identifizierte sie Regelungen der Sozialversicherung und Steuergrenzen. Durch eine sehr hohe Grenzbelastung gebe es etwa einen Anreiz, in einer geringfügigen Beschäftigung zu verharren bzw. die Grenze von 11.000 Euro Jahreseinkommen nicht zu überschreiten. Die aktuelle Steuerreform habe daran nichts verändert. Ein solcher negativer Beschäftigungsanreiz wirke sich auch negativ auf Bildungsentscheidungen von Frauen aus. Auch die steuerliche Begünstigung von Überstunden, die überwiegend von Männern ausgeführt werden, sieht Schratzenstaller als Problem. Solche gesetzlichen Regelungen und die ungleich verteilte unbezahlte Arbeit tragen dazu bei, den Gender Pay Gap und damit den Gender Pension Gap aufrechtzuerhalten, so die Steuerexpertin. Auch Arbeitszeitmodelle müssten dringend diskutiert werden.

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Ingrid Mairhuber wies darauf hin, dass die Auswirkungen des neuen Durchrechnungszeitraums, der im Zuge der Pensionsreform 2004 beschlossen wurde und die Höhe der Pension bestimmt, noch nicht abzusehen seien. Dass nicht mehr die besten 15 Jahre, sondern der gesamte Erwerbsverlauf für die Berechnung der Pensionshöhe herangezogen werden, wird insbesondere Frauen massiv benachteiligen und in die Altersarmut treiben. Auch die 45 Versicherungsjahre, die gefordert werden, gingen völlig an der Lebensrealität von Frauen und auch vielen Männern vorbei, so Mairhuber. Am Pensionskonto, das über die voraussichtliche Pensionshöhe informiert, kritisiert sie, dass Frauen hier vor vollendete Tatsachen gestellt werden, dass sich jedoch die strukturellen Gegebenheiten dadurch nicht verändern. Die Kritik an der Pensionsreform, die zu Beginn lautstark von Interessenvertretungen zu vernehmen war, sei mittlerweile weitgehend verstummt. „Wir müssen dringend diskutieren, welche Maßnahmen es braucht“, sagte Mairhuber. Unstete Erwerbsarbeitsläufe dürften nicht bestraft werden, dass das Pensionssystem nicht leistbar ist, sei schlichtweg falsch – es hänge vielmehr von der Gestaltung des Steuersystems ab.

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Isabella Farkasch berichtete von der Situation selbständig tätiger Frauen in Österreich, die massiv von Nachteilen des Steuersystems und der Regelung der Sozialversicherung betroffen sind und als Ein-Personen-Unternehmen trotz hoher Wochenstundenbelastung zu den GeringverdienerInnen gehören. „Selbständige Frauen arbeiten in Österreich mehr als Vollzeit, aber verdienen wie bei einer Teilzeitbeschäftigung“, so Farkasch. Wichtig sei es, sanftere Übergangsregelungen bei Steuergrenzen zu finden, meinte die selbständige Künstlerin. Da Selbständige während ihrer Erwerbsarbeitskarriere versuchen würden, möglichst wenige Sozialversicherungsbeiträge einzuzahlen, könnten es sich viele nicht leisten, in Pension zu gehen.

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Claudia Prudic berichtete aus dem Beratungsalltag und von ihren Workshops zum Thema Geld. Für viele Frauen sei es sehr unangenehm, über Geld zu sprechen, sie erlebe es zudem immer wieder, dass Frauen sich für ihre niedrigen Löhne oder Pensionsansprüche schämen würden. Gerade da Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit erledigen, empfinde sie hingegen das Pensionssystem als beschämend. In ihrer Beratungsarbeit vermittle sie Frauen, die Schuld nicht immer nur bei sich selbst zu suchen, sondern Strukturen zu hinterfragen und sich politisch zu beteiligen. „Frauen sind Meisterinnen darin, sich nicht in den Vordergrund zu stellen und mit geringen Mitteln möglichst effizient zu haushalten“, so Prudic. Sie wies außerdem darauf hin, dass nicht vergessen werden dürfe, dass ökonomische Abhängigkeit einen Nährboden für häusliche Gewalt darstelle. Wenn Frauen im Alter vermehrt von ihren Partnern abhängig würden, seien sie auch besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden.

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Monika Weißensteiner berichtete zum Abschluss, dass sie gerade von jungen Menschen immer wieder den Satz höre: „Ich kriege sowieso keine Pension mehr“. Es sei aber sehr wichtig, über das Pensionssystem Bescheid zu wissen und sich politisch zu beteiligen. „Ich begreife nicht, dass die Frauen angesichts dessen, was da auf sie zukommt, nicht aufschreien“, so Weißensteiner. Vielfältige Informationen rund um das Thema Pensionen sind auf der Website der Arbeiterkammer zu finden.

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 Im Anschluss an die Expertinnen-Runde sammelte Moderatorin Ulli Weish Fragen und Statements aus dem Publikum ein, viele der zahlreichen BesucherInnen sprachen sich dafür aus, dass es an der Zeit sei, das Thema wieder auf die Agenda zu setzen und frauenpolitisch aktiv zu werden.

Ort der Veranstaltung: Bundesministerium für Bildung und Frauen, Audienzsaal
Minoritenplatz 5, 1014 Wien

 

Aus der Einladung: Information und Programm:


Mit rund 23% zählen die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich zu den höchsten innerhalb der EU. Dieser Gender Pay Gap wird in Österreich unmittelbar in der Pension fortgeschrieben. 2013 lag das mittlere Bruttojahreseinkommen von Frauen mit einer eigenen Alterspension bei 12.706 Euro, jenes der Männer bei 24.559 Euro – in Summe ein Einkommensunterschied von 48%.

In Österreich ist die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich zwar hoch, aufgrund von Betreuungspflichten arbeitet jedoch knapp die Hälfte der Frauen in Teilzeit.

Erschwerend kommt hinzu, dass etwa ein Viertel der Frauen so genannte Niedriglohnempfängerinnen sind. Auch das Steuern- und Abgabesystem benachteiligt Frauen in vielfacher Weise und trägt zu einer geschlechtsspezifischen Schieflage bei.

Der Gender Pension Gap wurde durch die Reform des österreichischen Pensionssystems 2004 weiter verstärkt. Galten vor diesem Zeitpunkt die 15 Jahre mit dem besten Verdienst als Grundlage für die Berechnung der Pensionsbezüge, so erstreckt sich nun der sogenannte Durchrechnungszeitraum auf die volle Zeit der Erwerbstätigkeit.

Die Pensionskonto-Erstgutschrift, die 2014 an Erwerbstätige in Österreich verschickt wurde, war dementsprechend für viele Frauen ein Schock.

Expertinnen beleuchten beim Round Table diese drastische Schieflage und analysieren das österreichische Pensionssystem und seine unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer.

Unten finden Sie das detaillierte Programm, das Bundesministerium für Bildung und Frauen bittet um Anmeldung bis 14. Dezember unter folgendem Link: Zur Anmeldung

Ort: Bundesministerium für Bildung und Frauen, Audienzsaal
Minoritenplatz 5, 1014 Wien

Der Round Table findet im Rahmen des internationalen Projekts „Promote Equal Pay to Diminish Pension Gap, Poverty and Social Exclusion: Fair Income – Fair Pension“ statt.

PROGRAMM

Begrüßung durch Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek
Präsentation des Projekts „Fair Income, Fair Pension“
und Vorstellen der Broschüre „Faires Einkommen - Faire Pension. Der Gender Pay Gap und seine Auswirkung auf die Alterssicherung von Frauen und Männern in Österreich“

- Hannah Steiner, Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen
Präsentation der Broschüre „Frauen und Pensionen“ des BMBF
- Ines Stilling, BMBF

Round Table
Expertinnen beleuchten und diskutieren Fragen in Bezug auf Gender(un)gerechtigkeit im Pensionssystem
• Welche Auswirkungen sind durch den verlängerten Durchrechnungszeitraum für Frauen in der Pension zu erwarten?
Ingrid Mairhuber, FORBA - Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt
• Wie wirkt das Steuersystem auf die Pensionen von Frauen und Männern?
Margit Schratzenstaller, WIFO - Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
• Wie gerecht ist das Pensionssystem für selbständig erwerbstätige Frauen?
Isabella Farkasch, ÖGV – Österreichischer Gewerbeverein
• Mit welchen Fragen, Anforderungen und Sorgen von Frauen in Bezug auf ihre Pension sind Frauenberatungsstellen konfrontiert?
Claudia Prudic, Verein Wendepunkt, Frauen für Frauen und Kinder
• Wie sind Einkommenseinbußen aufgrund von Teilzeitarbeit und Karenzzeiten zu begrenzen: Strategievorschläge
Monika Weißensteiner, AK – Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien

Moderation: Ulli Weish, Medien- und Kommunikationswissenschafterin, Universität Wien
Vernetzung am Buffet

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